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Zu Gast in der Weinregion

Mit Weinerlebnisangeboten bei Touristen punkten

 

Evelyn Schmidt

LVWO Weinsberg

Projektkoordination Wein und Tourismus

 

Erfolgreicher Weintourismus braucht buchbare Angebote. Erlebnisreich, originell, begehrt und abgestimmt auf die Reisemotive und Interessen von Weintouristen. Dazu verfügbar, preiswert und bequem zu buchen. Aber was will unser Weintourist eigentlich? Und welche Attribute braucht ein erfolgreiches Angebot?

 

 

Der Wein bekommt nicht immer die Hauptrolle

Es gibt keinen stereotypen Weintouristen. Deshalb ist es schwierig, ihn als solchen zu erkennen und von anderen Touristen abzugrenzen. Das Europäische Tourismusinstitut (ETI) hat für das Bundesland Rheinland-Pfalz dazu im Jahr 2009 eine interessante Studie mit Befragungen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Berlin durchgeführt. Die wenigsten, nur knapp 10 % der Befragten, haben ein so spezielles Interesse am Thema Wein, dass sie ihn zum alleinigen Hauptthema ihres Urlaubs machen. Die Mehrheit hat hingegen vielfältige und zum Teil auch ambivalente Reiseinteressen. Wein ist ein Thema, das für die meisten Touristen gleichberechtigt neben anderen Themen steht oder begleitend als Urlaubselement wahrgenommen wird.

 

In Übersicht 1 werden in Anlehnung an Dreyer und Johnson drei Grundtypen von Weintouristen unterschieden: der Spezialist, der Generalist und der Auch-Weintourist. Heißt, es gibt Weintouristen, Weintouristen, die auch wandern und Wandertouristen, die auch ein Weinfest besuchen.

 

 

Für die Angebotsentwicklung heißt das, der Wein sollte, abgesehen von Spezielangeboten, nicht das solitäre Hauptthema sein, sondern vielmehr mit anderen Angeboten und Aktivitäten kombiniert werden. Das vergrößert auch die potenzielle Zielgruppe. Das Gros der Nachfrage will mehr als nur den Wein erleben. Gefragt sind Angebote in Weinregionen, die den Wein mit anderen Themen verknüpfen.

 

Es gibt einige Untersuchungen dazu, was Personen, die sich für das Thema Wein im Urlaub interessieren, gern mögen und unternehmen, worauf sie Wert legen und was typisch für ihr Wesen ist. Die Weinregion an sich mit ihrer Lebensart, der Landschaft und dem Wein prägt natürlich die Reiseinteressen dieser Touristen. Sie wollen neue Weine und Weingüter kennen lernen, sind an Weiterbildung zum Thema Wein und am Weineinkauf interessiert.

Sie begeistern sich für kulinarische Reiseerlebnisse, neue und fremde Speisen und regionale Küche. Genuss und Entspannung stehen im Vordergrund.

Extrem sportliche Aktivitäten sind weniger gefragt. Moderate Aktivitäten wie wandern und Fahrrad fahren und der Mix aus Natur, Kunst, Kultur und Architektur sind hingegen beliebt. Vorsicht bei Angeboten in Kombination mit Radtouren, der Weingenuss sollte aus Sicherheitsgründen eher den Abschluss bilden.

 

Der Titel muss Bilder im Kopf entstehen lassen

Genau das sind diese anderen Themen, mit denen wir den Wein kombinieren müssen: mit Naturerlebnissen sowie gastronomischen und kulturellen Angeboten.
 

Beim Blick in die deutschen Weinregionen begegnen dem Urlaubssuchenden kreative Angebote zu Themen wie "Wein & Wandern", "Wein & Kunst", "Wein & Speisen", "Wein & Handwerk", "Wein & Stadtgeschichte", "Wein & Wellness", "Wein & Kino", "Wein & Fluss" u.v.m. Die Möglichkeiten, Wein mit Themen aufzuladen und zu kombinieren, sind unendlich.

 

Suchen Sie nach erlebens- und sehenswerten Highlights, Attraktionen und Besonderheiten in ihrer Region. Sie werden merken, der Wein ist ein flexibles Thema, welches sich problemlos einfügt und mit anderen Dingen verknüpfen lässt.

 

Konzentrieren Sie sich bei Ihrem Weinerlebnisangebot auf ein besonderes Thema und stellen Sie dieses heraus. Es sollte ein greifbares und eindeutiges Thema mit einer oder zwei Hauptkomponenten sein. Vermischen Sie nicht zu viele Themen miteinander, sonst besteht die Gefahr, dass Ihr Angebot untergeht und sie alle und doch keinen so richtig ansprechen. Themenorientierung bringt ein klares Profil.

 

Formulieren Sie für Ihr Angebot einen guten Titel. Der Titel ist das erste, was der Gast von Ihrem Angebot wahrnimmt. Er ist die Kreativposition und muss neugierig machen, konkret und attraktiv sein. In den Köpfen der Zielgruppe müssen sofort Bilder entstehen. "Kulinarische Sommernacht", "Rock´n Riesling Night", "Wein-Kunst-Probe", "Sektzauber" sind nur einige gute Beispiele.

 

Lassen Sie sich von anderen inspirieren, schauen Sie, was andere anbieten, aber entwickeln Sie etwas Eigenes und Originales. Faszinieren Sie Ihre Kunden mit innovativen, schwer kopierbaren Angeboten, die nicht vergleichbar am Markt existieren. Das schafft Begehrlichkeiten.

 

Kombinieren Sie das Thema Wein mit Angeboten und Attraktionen, die zu Ihnen, Ihrem Betrieb und Kooperationspartnern passen. Nutzen Sie Bewährtes wie klassische und thematische Weinproben, wagen Sie aber auch ganz neue Kombinationen. Wenn Sie einen außergewöhnlichen Künstler oder Musiker, eine besonders gute Käserei, eine alte historische Burganlage, eine berühmte Persönlichkeit, einen Vermieter für Oldtimerbusse oder Pferdekutschen oder ähnliches vor Ort haben, dann gewinnen Sie diese als Themen und Partner, um gemeinsam unverwechselbare Angebote zu entwickeln.

 

Über den Inhalt entscheidet die Zielgruppe

Definieren Sie die Zielgruppe für Ihr Angebot. An wen soll sich Ihr Angebot richten, für wen ist es geeignet? Aktivurlauber, Weinkenner, Familien, Erholungssuchende, Tagesausflügler, Busreisende, junge Paare, Naturliebhaber, Kulturinteressierte, Best Ager? Jeder hat an ein gutes Weinerlebnisangebot andere Ansprüche und Bedürfnisse.

Je besser Sie im Vorfeld Ihre Zielgruppe definieren, desto zielgruppenorientierter können Sie Ihr Angebot planen und bewerben.

 

Weintouristische Angebote im Baustein-Prinzip

Überlegen Sie sich, welche "Bausteine" Ihr Weinerlebnisangebot beinhalten soll. Soll es ein Angebot mit Übernachtung sein? Ein Weinseminar mit Kellereiführung? Oder eine Kombination von Busrundfahrt und Weinfest-Besuch? Die Kombinationen sind vielfältig (siehe Übersicht 2).

 

 

Überlegen Sie, welche Leistungen Sie anbieten wollen. Suchen Sie sich gegebenenfalls Kooperationspartner (z.B. Gästeführer, Gastronomiebetrieb), mit denen Sie das Angebot gemeinsam umsetzen. Voraussetzung hierfür: Eine genaue Abstimmung mit allen Partnern. Nicht, dass Sie in der Ausschreibung von "edlem Fingerfood" zum Sektempfang sprechen, und ihr Gastronom serviert "nur" Weißbrot. Überprüfen Sie, ob Sie und Ihre Partner dasselbe Qualitätsniveau anstreben.

 

Bieten Sie in jedem Angebot mindestens eine Top-Leistung, ein Highlight als Baustein an. Überlegen Sie sich im Vorfeld, was Ihr Glanzlicht sein könnte. Das, woran sich die Gäste erinnern, das, was sie verblüfft und auch nach Jahren noch an Sie denken lässt.

 

Das Geheimnis: Mehr bieten als der Gast erwartet

Bei der Entwicklung von Weinerlebnisangeboten sollten Sie überlegen, was Ihr Gast erwartet, was er erwünscht und womit Sie ihn überraschen können (siehe Übersicht 3).

 

 

Schlafen, essen und trinken sind Grundbedürfnisse, die der Gast in seinem Urlaub voraussetzt. Speziell in einer Weinregion erwartet er Weinberge, Winzer und Weinproben. Das sind die klassischen Komponenten.

 

Gute Weinerlebnisangebote bieten darüber hinaus das "Besondere", den Zusatznutzen in Form von weintouristischen Highlights, die vom Gast auch als etwas Besonderes wahrgenommen werden, wie beispielsweise der Besuch einer Vinothek.

 

Sehr gute Weinerlebnisangebote bieten zudem immer etwas Unerwartetes. Dinge, die in der Angebotsbeschreibung nicht auftauchen und dann positiv überraschen. "Die Überraschung" ist fester und geplanter Bestandteil des Angebotes (auch in der Kalkulation), wird für die Gäste aber entsprechend inszeniert. Das kann ein Picknick im Weinberg, die Fahrt mit einem Planwagen, ein besonderer Wein in der Weinprobe, der nicht in der Probenliste auftaucht, oder eine Flasche Wein als Gastgeschenk auf dem Gästezimmer sein. Hier ist Ideenreichtum gefragt. Diese besonderen Aufmerksamkeiten und Extras zeigen Ihr Bemühen um den Gast und sind oftmals die Dinge, dessen er wiederkommt und es anderen weitererzählt.

 

Mit der Programmbeschreibung Erwartungen wecken

Die Beschreibung zu Ihrem Programm ist wichtiger Bestandteil der Angebotsentwicklung. Formulieren Sie eine kurze Beschreibung in Form eines Werbetextes, den Sie für die Bewerbung und Ausschreibung sowie zur detaillierteren Information an potenzielle Gäste geben können.

 

Wie, wo, wann findet was statt? Planen Sie den Aufbau und Ablauf Ihrer Führung (Start- und Endzeiten, Route, Verkehrsmittel usw.) und probieren Sie Ihr Weinerlebnisangebot im Vorfeld an Testpersonen aus. Kalkulieren Sie genügend Freiraum im Zeitplan und Schlechtwettervarianten ein.

 

Beschreiben bzw. nennen Sie die enthaltenen Leistungen, Beginn, Dauer, Startpunkt und den Preis für Ihr Angebot so klar und transparent wie möglich. Geben Sie Hinweise zum Ansprechpartner, verfügbaren Terminen, zur Buchung und Anmeldung.

 

Wichtig: Programmbeschreibungen wecken Erwartungen bei den Gästen. Deckt der Ausschreibungstext für Ihr Programm die Realität? Vorsicht mit Superlativen wie "größtes", "schönstes", "bestes". Wenn im Angebot "schönstes Weinbergpicknick" steht, dann erwartet der Gast auch eine entsprechende Qualität und Quantität.

Vorsicht auch mit Begriffen wie "gut bürgerlich", "Hausmannskost" und "Begrüßungsdrink" - diese Begriffe sind so abgenutzt, dass Sie kaum noch Emotionen wecken. Seien Sie auch in Ihrer Wortwahl kreativer.

 

Einzigartige Preis-Leistungs-Kreationen

Weinerlebnisangebote erfordern "Wein" und "Erlebnis". Ihr Angebot muss erlebnisreich sein - außergewöhnliche Locations und Plätze, Interaktivität, Mitmachaktivitäten sind gefragt. Angebote zu ungewöhnlichen Themen, an ungewöhnlichen Orten und zu ungewöhnlichen Zeiten (z.B. um Mitternacht, zum Sonnenaufgang) sind anders und funktionieren gut.

 

Weintouristen haben Merkmale wie andere Touristen und Konsumenten auch: Sie sind reiseerfahren, informiert, kritisch und aufgrund der Vielfalt an Urlaubsformen, -arten und ‑zielen anspruchsvoller und wählerischer als je zuvor. Dazu sensibel in Bezug auf Preis und Qualität und in Erwartung einer einwandfreien Leistung.

 

Deshalb: Kein Weinerlebnisangebot ohne Qualität. Bleiben Sie authentisch und bieten Sie nur Programme an, die Sie auch so durchführen können.

 

Bei guten Angeboten spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Seinen "Preis wert sein" heißt, der Gast erlebt den Preis im Verhältnis zur erhaltenen rationalen und emotionalen Leistung als günstig. Das Angebot darf nicht teurer sein, als wenn der Gast alle Einzelleistungen individuell "kauft", und er wird das auch abgleichen. Entwickeln Sie Angebote mit einzigartigen Preis-Leistungs-Kreationen, die der Weintourist so nirgendwo kaufen kann.

 

Ganz wichtig: Ihr Angebot muss verfügbar und problemlos buchbar sein. Suchen Sie sich gegebenenfalls Vertriebspartner, wie Reisebüros oder Touristinformationen. Seien Sie für Ihre Kunden erreichbar und kommunizieren Sie ganz klar, unter welchen Bedingungen Ihr Weinerlebnisangebot buchbar ist (Saison, Mindestteilnehmerzahl usw.).

 

Viele Anbieter machen häufig die Erfahrung, dass Gäste lieber etwas Individuelles statt dem festen Angebot möchten. Hier kommt eine wichtige Funktion von Weinerlebnisangeboten zum Tragen: Sie sind "Appetitmacher" und fungieren als wichtiges Werbemittel für den Betrieb.


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