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Dritter internationaler Workshop über Rebenperonospora und -Mehltau

vom 21. - 28.03.1998 in Süd-Australien

 

von Dr. W. K. Kast , Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg


Im März 1998 trafen sich in Loxton (Süd-Australien) 54 Experten auf dem Gebiet für die beiden wichtigsten Rebkrankheiten aus 13 Ländern, um die neuesten Erkenntnisse, insbesondere zur Biologie und zu Prognosesystemen, auszutauschen. Im folgenden soll über die wesentlichen Erkenntnisse berichtet werden.

I. Zum Weinbau in Australien

In Australien boomt der Weinbau. Zur Zeit werden auf ca. 80.000 ha jährlich etwa 7 Millionen Hektoliter Wein erzeugt. Die Rebfläche wächst jedoch um jährlich 10.000 ha. Der Weinmarkt wird weitgehend von vier großen Aktiengesellschaften (Penfolds, Orlando, Yalumba, Southcorp) kontrolliert, die neben dem heimischen Markt vor allem nach Großbritannien und den USA exportieren. Die Weinpreise sind relativ hoch; sie liegen zur Zeit überwiegend über 10,-- DM/Flasche. Billiger sind dort nur Weine in Kartonboxen (Bag in Box) oder auch deutsche Flaschenweine. Die Kellereien zahlen zur Zeit für 1 kg Kellertrauben von durchschnittlicher Qualität 2,50 DM. Die Anbauer haben in der Regel 5-jährige Verträge mit ihren Abnehmern. Die Erzeugungskosten (Vollkosten) liegen bei nur 0,40 - 0,60 DM/kg. Durchschnittliche Betriebe haben etwa 85 ha Rebfläche.


Die Weinanbaugebiete befinden sich überwiegend in den Küstenregionen und entlang des Murray-Rivers in den Staaten South Australia und Victoria. Das Klima ist geprägt durch Sommertrockenheit mit intensiver Sonneineinstrahlung und in den Küstengebieten hohen Winterniederschlägen. Angebaut werden hauptsächlich die Sorten Chardonnay, Shiraz, Cabernet Sauvignon, Semillon und Riesling. Die Rebflächen werden grundsätzlich bewässert (überwiegend Drip-irrigation-Systeme). Mit der Bewässerung werden auch Nährstoffe ausgebracht (Fertigation). Erziehungssysteme sind überwiegend eine Art Umkehrerziehung und in kühleren Klimaten (Bergregionen) die Scott-Henry-Erziehung (2-Etagen-Kordon). Die Umkehrerziehung wird zu großen Teilen nach dem Non-pruning-System (Nichtschnitt) betrieben. Da auch die Ernte voll mechanisiert ist, fallen nach der Erstellung der Anlage kaum noch Handarbeiten an, so daß 1 Person gut 50 ha bewirtschaften kann. Die Vollernter fahren übrigens fast ausschließlich nachts, wegen der kühleren Bedingungen.

Das wichtigste Rebschutzproblem ist der echte Mehltau. Gelegentlich verursacht auch Peronospora größere Schäden. Phomopsis tritt ebenfalls stark auf. Botrytis spielt eine geringe Rolle. Bei den tierischen Schädlingen ist eine Wicklerart (Light Brown Applemoth) von Bedeutung. Da die Reben überwiegend wurzelecht gepflanzt wurden, herrscht große Angst vor einer Ausbreitung der Reblaus, die bisher allerdings nur wenig verbreitet ist.


II. Ergebnisse der Referate und Poster

In Australien und den USA werden zur Zeit Expertensysteme entwickelt (AusVit, Vitis). Diese Computerprogramme sollen den Betriebsleiter bei allen Anbau-Entscheidungen unterstützen und enthalten als wesentliche Elemente Prognosemodelle für Pilzkrankheiten und Schädlinge. Gespräche mit computererfahrenen australischen Weinbauern, die das AusVit-Programm getestet hatten, lassen aber Zweifel am Nutzen solcher Systeme aufkommen. Bemängelt wird der hohe Zeitaufwand für die Eingaben aller getätigten Maßnahmen. Genutzt werden die Experten-System-Programm bisher vorzugsweise im Rahmen von Beratungsdiensten. Diese geben Empfehlungen z. B. per Rundfax oder Email an die Weinanbauer weiter. Berichtet wurde auch über weitere komplexe Prognosesysteme aus Ungarn (Galati-Vitis) und Österreich (Itimet).
Von größerem Nutzen für die Praxis dürfte die Anwendung einzelner Modelle zur Prognose von Peronospora sein. Vorgestellt wurden neuere Ergebnisse des Freiburger Systems aus Deutschland und der Modelle DMCAST aus New York und DMODEL aus Australien. In fast allen berichteten Fällen konnten ohne eine wesentliche Zunahme des Befalls Spritzungen eingespart werden.
Größter Unsicherheitsfaktor in der Peronosporaprognose sind immer noch die geringen Kenntnisse über das Verhalten der Oosporen. Deutsche Untersuchungen zeigen, daß Oosporen etwa im 3-Blattstadium ihre endogene Keimruhe beenden. Wenn dieses Stadium erreicht ist, können sie innerhalb von 1 Tag keimen. Anhaltende Trockenheit verlängert die notwendige Feuchtedauer für die Keimung auf 3 - 4 Tage. Bei anhaltender Trockenheit von 5 - 6 Wochen gehen sie wieder in Keimruhe über. Unter mitteleuropäischen Bedingungen können Oosporen deshalb auch im Sommer bei anhaltenden Feuchteperioden neue Infektionen verursachen.
Ein weiterer Problemfall bei Prognosesystemen ist die exakte Messung der Witterungsdaten, insbesondere der Blattnässe und der Niederschlagsverteilung. Blattnässesensoren weichen zum Teil um bis zu 3 Stunden von den tatsächlich beobachteten Werten ab, die Niederschläge können auf engem Raum variieren. Eine Alternative zur Messung vor Ort ist die Simulation auf der Basis großräumiger Wettermessungen oder sogar auf der Basis von Wetter-Prognosen.
Licht unterdrückt bekanntlich die Sporangienbildung bei Peronospora. Ein Vorschlag befaßte sich mit dem Einfluß der verschiedenen Wellenlängen. Denkbar wäre z. B. das Einschalten einer Beleuchtung gezielt dann, wenn die Bedingungen für Sporulation (dunkel,  13° C und Blattnässe/Tau) gegeben sind, um die einsetzende Sporulation zu unterdrücken.

Von großer Bedeutung für eine gezielte Bekämpfung ist die exakte Beobachtung des vorhandenen Befalls. Mehrere Tagungsbeiträge befaßten sich mit der Genauigkeit bei Befallsermittlungen bei Peronospora und Oidium und rationellen Erfassungsmethoden.
Die Populationen des Peronosporapilzes können genetisch sehr variabel sein. Berichtet wurde z. B. über Rassen, die gegenüber Cymoxanil (kurativer Wirkstoff im Aktuan SC) resistent sind. Es wurde auch eine Rasse gefunden, die spezifisch an eine resistente Sorte (Regent) angepaßt ist. Mit molekulargenetischen Methoden (RAPD-PCR) wurde die Variabilität von frühen Infektionen von 2 Arbeitsgruppen untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß von Oosporen ausgelöste Infektionen weit häufiger vorkommen als bisher vermutet. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, daß der Pilz entweder heterokariotisch ist (genetisch verschiedene Keime in einem Mycel), oder aber genetische Informationen ungeschlechtlich austauscht. Beides führt zu einer extremen genetischen Variabilität und Flexibilität des Erregers.

Zwei Untersuchungen befaßten sich mit der Schadwirkung des Peronosporapilzes. Die Photosyntheseleistung der Blätter wird nur bei extremen Befall deutlich reduziert. Im Befallsjahr ist der Effekt sehr gering. Offensichtlich werden Reservekohlehydrate aus den Wurzeln zum Ausgleich verwendet. In ungünstigen Fällen kann deshalb der Ertrag des Folgejahres beeinträchtigt sein.

Ein wichtiges Problem beim zweiten Pilz Oidium ist die Bedeutung der Zeigertriebe und Kleistothecien bei der Überwinterung und für den Beginn der Epidemie. Die Ergebnisse molekulargenetischer Untersuchungen zeigen, daß es sich bei den kleistothecienbildenden und in Zeigertrieben überwinternden Oidiumstämmen um 2 genetisch deutlich unterscheidbare Rassen handelt.
Bisher wurden in Deutschland zwar Kleistothecien gefunden, es gelang jedoch nicht, diese im Frühjahr zum Keimen zu bringen. Die vorgetragenen Ergebnisse belegen, daß auch in Deutschland auf der Borke des mehrjährigen Holzes überwintern und keimfähig bleiben. Die vorgestellten Resultate belegen aber auch die wohl weit überwiegende Bedeutung der Zeigertriebe. Erst mit dem Erscheinen der Zeigertriebe (in der Regel bei 6 entfalteten Blättern) ist in Deutschland eine Bekämpfung sinnvoll.

Schon bisher war bekannt, daß Reben kurz vor und nach der Blüte besonders anfällig sind. Gezielte Infektionsversuche aus den USA zeigen, daß die Trauben nur in einer extrem kurzen Phase von der Blüte ab etwa 14 Tage lang extrem anfällig sind. Danach geht die Anfälligkeit drastisch zurück. Im Stadium "Erbsengröße" wird ein relativ hohes, sortentypisches Resistenzniveau erreicht. Die extreme Anfälligkeit in dieser Periode hat große praktische Bedeutung. Sie bestätigen die alten Praxiserfahrungen, daß Spritzfehler, z. B. zu lange Spritzabstände, in dieser Periode im Wesentlichen für Probleme bei der Oidiumbekämpfung verantwortlich sind.

Versuchsergebnisse mit gestaffeltem Beginn der Behandlungen aus Deutschland zeigen, daß Behandlungen vor der Blüte nur dann einen wesentlichen Einfluß auf den Befall haben, wenn Zeigertriebe vorhanden sind. Fehlen diese Zeigertriebe, so sind erst die Behandlungen ab der Blüte relevant.

Mehrere Tagungsbeiträge befassen sich mit der Weiterentwicklung und Anwendung von Modellen zur Oidiumprognose. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze werden verfolgt. Zum Einen die Berechnung von Ausgangsinokulum und der Vermehrungsrate des Vanderplankschen Modellansatzes. Ziel dabei ist die Simulation des Epidemieverlaufs. Offen ist bisher, wie diese Information konkret in der Praxis in Handlungsanweisungen umgesetzt werden kann, z. B. nach einem Schadschwellenmodell. Dies wäre nur bei gutwirksamen, nicht resistenzgefährdeten Mitteln möglich. Probleme bereitet auch die Berechnung des Ausgangsbefalls insbesondere auch weil 2 verschiedene Möglichkeiten, Ascossporen und Zeigertriebe, bestehen. Der zweite Ansatz hat eine Modifikation der Routineanwendungen auf der Basis von Witterungsereignissen zum Ziel, d. h. der Beginn der Spritzungen und der Abstand der Spritzungen wird von Witterungsbedingungen abhängig gemacht. Ein in Kalifornien entwickeltes Programm bewertet die Temperaturen der letzten 7 Tage für die Berechnung des Spritzabstandes. Ein in New York entwickeltes System berechnet den Termin der Ascosporeninfektion. Auf der Basis von Vorjahresbefall und der tiefsten Temperatur im Winter berechnet das deutsche OiDiag-Programm den Termin der ersten Spritzung und auf der Basis einer Bewertung der Witterung (Temperatur, Luftfeuchte, Niederschlag) der letzten Woche die Spritzabstände. Die regional entwickelten Modelle erwiesen sich alle an ihrem Ursprungsort als Verbesserung. Erstaunlicherweise ergab eine Anwendung des in Deutschland entwickelten OiDiag-Systems auch in Oregon (USA) in einem Vergleich mit Nordamerikanischen Modellen die besten Ergebnisse.

Einen weiteren Themenschwerpunkt bildeten Beiträge zur Wirksamkeit verschiedener Mittel. Gegen Sterolsynthesehemmer gibt es weltweit ein sehr unterschiedliches Resistenzniveau, was auch sehr unterschiedliche Strategien ermöglicht. In Australien ist z. B. noch eine gute kurative Wirkung von Penconazol (Topas) vorhanden. Berichtet wird auch über die Wirksamkeit von Backpulver (NaHCO 3 ) und Phosphorsäuresalzen (KH 2 PO 4 ), die allerdings nur bei niederem Infektionsdruck ausreichend ist. Durch den Zusatz von Ölen kann die Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe gegen Oidium deutlich gesteigert werden.

Der weltweite Austausch von Informationen über Peronospora und Oidium soll in Zukunft innerhalb der Gruppe intensiviert werden und dazu moderne Medien (Mailbox, Newsgroup) genutzt werden. Insgesamt ermöglichte der Workshop allen Teilnehmern den absolut neuesten Stand der Forschungen auf diesem Spezialgebiet kennenzulernen.

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