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Neue Birnensorten in der Prüfung

 

 

Deutschland ist kein Birnenland. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Birnen liegt mit 2,6 kg/Jahr weit hinter dem Verbrauch von Äpfeln, Bananen, Apfelsinen, Clementinen und Tafeltrauben. Rein mengenmäßig werden in Deutschland sogar fast so viele Erdbeeren wie Birnen gegessen. Die erzeugte Menge  ist entsprechend gering. In der Republik werden lediglich rund 60.000 to Birnen pro Jahr  produziert.

 

Innerhalb der EU sind Italien (879.000 to), Spanien (537.000 to), Frankreich (276.000 to), Belgien (259.000 to) und die Niederlande (234.000 to) die großen Birnenproduzenten. Vor allem Belgien und die Niederlande haben in den letzten  Jahren ihre Produktion stark erhöht. Seit 1997 hat dort die Flächenausdehnung des Birnenanbaus um 20% zugenommen. Aktuell werden in beiden Ländern rund 13.000 ha Birnen angebaut.

 

Auch im Biobereich hat sich die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Birnen stark erhöht. Gegenüber den Vorjahren spricht man von einem Nachfrage-Anstieg um fast 30%. Momentan ist der deutsche Ökobirnenmarkt jedoch ganzjährig von Importen abhängig. Hauptimporteur für Biobirnen ist Argentinien, das hauptsächlich von Januar bis Juli liefert. Lediglich in den Herbstmonaten überwiegt zumindest im Bio-Fachhandel das deutsche Angebot. Auch in Österreich wird der Biobirnenanbau forciert. Die Steirerfrucht versucht mit der Birnensorte Uta eine "Biobirne" am Markt zu etablieren.

 

Wenn man sich diese Marktentwicklungen vor Augen hält, gibt es also durchaus berechtigte Gründe, sich mit dem Birnenanbau auch in Deutschland zu beschäftigen. Bezüglich des Sortiments hat sich hierzulande in den letzten 20 Jahren nichts verändert. Über die Erzeugermärkte wird in erster Linie Alexander Lucas vermarktet. An zweiter Stelle steht Conference, gefolgt von Williams Christ. Williams Christ nimmt insofern eine Sonderstellung ein, da diese Sorte einerseits als Speisebirne, andererseits vor allem im süddeutschen Raum für die Destillaterzeugung genutzt wird. An 4. und 5. Position folgen die Sorten Charneux und Clapps Liebling. Die Vorteile der 3 Hauptsorten liegen sicherlich in der Ertragshöhe und -stabilität, sowie bei den beiden erstgenannten in der Lagerfähigkeit. Sie haben aber auch große Nachteile wie z.B. der mäßige Geschmack , die in den letzten Jahren zunehmenden Probleme mit "Orangenhäutigkeit" und Steinzellen bei Alexander Lucas, die Kleinfrüchtigkeit bei Conference, die wenig attraktive Optik (beide) oder auch die Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand (Williams Christ). Bei Conference fällt zudem in den heißen Sommern der vergangenen Jahre hitzebedingtes Blattsterben auf.

 

Orangenhäutigkeit bei Alexander Lucas
Orangenhäutigkeit bei Alexander Lucas

 

Neue Birnensorten, die erfolgreich am Markt placiert werden wollen, müssen daher folgende Eigenschaften haben: mindestens so hohe und sichere Erträge wie die Top 3, mindestens so gut lagerfähig, eine ansprechendere Optik (eventuell auch eine andere Optik wie z.B. rot-gelb), gute Verträglichkeit zur Quittenunterlage und Toleranz gegenüber Feuerbrand.

 

Die hier vorgestellten Aussagen zum Birnensortiment  sind vor dem Hintergrund der Standorteigenschaften der mittleren Neckarregion zu sehen. Die Daten wurden auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen bei Heilbronn gewonnen. Der Standort ist gekennzeichnet durch eine lehmige Parabraunerde auf einer 12 m mächtigen Lößdecke. Die Bodenzahl beträgt 70, die Jahresdurchschnittstemperatur 9,3 °C und die jährlichen Niederschläge 620 mm. Die geringen Niederschläge sind für den Birnenanbau eher von Nachteil: In Verbindung mit der häufigen Sommertrockenheit leiden die Fruchtgröße (vor allem bei Conference!), aber auch das Wachstum in der Jugendphase unter diesen Standorteigenschaften. Auf den Versuchsflächen wird seit 50 Jahren Obstbau betrieben. Aufgrund des mehrfachen Nachbaus treten zusätzlich reduziertes Wachstum und Probleme in der Mineralstoffversorgung auf.  Zusatzbewässerung ist aufgrund eingeschränkter Wasserverfügbarkeit nur   begrenzt möglich.

 

Im Folgenden werden einige neue aber auch bewährte Birnensorten beschrieben, die sich an diesem Standort hinsichtlich Ertrag, Fruchtqualität und Wuchseigenschaften bewährt haben. Der Pflanzabstand beträgt 3,5 x 1,5 Meter. In der Regel wird Quitte A als Unterlage verwendet, meist mit Zwischenveredelung Gellerts Butterbirne. Besser bewährt hat sich Quitte Adams, welche aber im Handel schlecht erhältlich ist. 

 

Tristan ist eine Sorte mit sehr frühem Reifetermin (siehe Abb. 1). Diese Birne ist für Direktvermarkter interessant, um die Saison zu eröffnen. Die sehr kleinfrüchtige Sorte aus dem Naumburger Züchtungsprogramm ist eine Kreuzung aus ‚Bunte Julibirne x Tongern’ und reift bereits Ende Juli, vier Wochen vor Williams Christ. Für eine Frühsorte ist der Ertrag hoch und regelmäßig. Das Wachstum ist mittelstark. Bei Jungbäumen muss auf eine genügende Anzahl von Verzweigungen geachtet werden. Die Bäume sind in der Ertragsphase ruhig und verursachen wenig Schnittaufwand. Durch die attraktiv rot-gelbe Färbung ist die Sorte im wahrsten Sinne des Wortes ein "kleiner Hingucker", denn 90% der Früchte sind unter 65 mm. Der Geschmack ist saftig schmelzend. Die Früchte sind allerdings nicht lagerfähig und müssen nach der Ernte sofort vermarktet werden. Tristan ist aufgrund der Kleinfrüchtigkeit seitens des Züchters nicht zum Sortenschutz angemeldet.

 

Reifezeit verschiedener Birnensorten
Reifezeit verschiedener Birnensorten

 

Ebenfalls aus dem Naumburg/Pillnitzer-Züchtungsprogramm stammen Isolda und Herrmann, die kurz vor oder kurz nach Tristan reifen. Isolda scheidet jedoch wegen des sehr starken Wachstums und dem damit verbundenen Schnittaufwand aus. Die Sorte Herrmann hatte in mehreren Jahren Probleme mit Vorerntefruchtfall und war geschmacklich ausdruckslos. Etwa 5 Tage nach Isolda reift Harrow Delight. Die Kreuzung aus ‚Williams Christ x Purdue 80-51’ wurde in Kanada an der Versuchsstation Harrow bereits 1981 vorgestellt und ist damit keine Sortenneuheit mehr. Sie bietet aber für den Direktvermarkter oder den ökologischen Anbau einige Vorteile. Sie reift drei Wochen vor Williams Christ bzw. eine Woche vor der ‚Frühen von Trevoux’. Dadurch ist sie für den preislich interessanten frühen Vermarktungsbereich gut geeignet. Sie gehört zu den sehr gut schmeckenden Birnensorten mit schmelzendem Fruchtfleisch, trägt regelmäßig und weist lediglich ein schwaches Wachstum auf, welches nur geringen Schnittaufwand erfordert. Direkt mit Quitte ist sie schlecht verträglich, Zwischenveredelungen mit Gellerts Butterbirne sind daher unumgänglich. Auch die Kombination mit der artechten Unterlage Pyrodwarf hat sich in Heuchlingen bewährt, allerdings bewirkt diese Unterlagen noch kleinere Früchte als die Sorte von Natur aus sowieso schon hat (148g). Die Sorte reagiert sehr gut auf den Einsatz von Gibberellinen indem sie zahlreiche parthenokarpe Früchte ansetzt. Wie bei Williams Christ sollten die Früchte bei noch grüner Grundfarbe geerntet werden. Gegenüber Schorf ist sie ebenso gering anfällig wie gegenüber Feuerbrand (USDA Rating 9.3), was sie auch für den ökologischen Anbau geeignet macht.

 

Harrow Delight
Harrow Delight

 

Kaum noch zu den Frühsorten zählen Harrow Gold und Dessertnaja. Sie reifen 1-2 Wochen vor Williams Christ. Dessertnaja neigt zu extremer Alternanz und benötigt starke Fruchtausdünnung. Ohne Ausdünnungsmaßnahmen konnten nur 82 g Fruchtgewicht erzielt werden, ausgedünnt immerhin noch bis zu 140 Gramm. Auch wenn der Geschmack dieser Birne als sehr gut bezeichnet werden kann, so hat sie es in der frühen Reifegruppe doch sehr schwer, wo Harrow Delight hinsichtlich Reifetermin, Ertrag und Geschmack als das Maß der Neuerungen bezeichnet werden kann.

 

Harrow Gold und Harrow Crisp entstammen beide dem kanadischen Züchtungsprogramm an der  Versuchsstation Harrow und haben sich wie Harrow Delight unter den dortigen  starken Infektionsbedingungen gut gegenüber Feuerbrand bewährt. Auch unter den natürlichen Befallsbedingungen in der mittleren Neckarregion und an anderen Standorten konnte dies bestätigt werden. Beide Züchtungen beruhen auf Kreuzungen mit Williams Christ. Während Harrow Gold eine saftig schmelzende Birne mit typischem Williamsaroma ist, stellt Harrow Crisp eine knackige bissfeste Birne mit guter Lagerfähigkeit dar. In Verkostungen schneidet sie immer sehr gut ab, weil sie bissfest und trotzdem saftig ist, ohne zu tropfen. Die auf Quitte A erzielten Erträge sind allerdings nur gering, was auf eine gewisse Unverträglichkeit mit Quittenunterlagen zurückzuführen ist. In einem Folgeversuch mit Zwischenveredlung Gellerts Butterbirne ist das Ertragspotential deutlich besser. Beide Sorten sind jedoch im Besitz der Star Fruits S.N.C. in Frankreich und derzeit auf dem Markt noch nicht erhältlich.

 

 

Vor allem im Streuobstanbau, wo keine chemische Bekämpfung des Feuerbrandbakteriums möglich ist, können resistente Birnensorten mit Eignung zur Destillaterzeugung eine gewisse Bedeutung erlangen. In Süddeutschland gibt es rund 30.000 Obst- und Kleinbrenner, die überwiegend Obst von Streuobstwiesen zu Destillat verarbeiten. Allein in   Baden-Württemberg tragen sie so zur Erhaltung von rund 180.000 ha Streuobstwiesen bei. Ein sehr beliebtes Birnendestillat ist das der Williams Christ Birne, welche gegenüber Feuerbrand leider sehr anfällig ist. Im Referat Frucht- und Brennereitechnologie der  LVWO Weinsberg wurde ein Sortenscreening zur Destillateignung von feuerbrandtoleranten Birnensorten durchgeführt. Besonderes Augenmerk gilt dabei den Williams Christ Nachkommenschaften aus dem Harrow-Züchtungsprogramm. Brennbirnen sind typische "Gelbfärber" und werden relativ rasch "teigig". Dabei entfalten sie einen sortentypischen Geruch, der im  Destillat aufgefangen werden soll. Neben Harrow Bliss waren Harrow Delight und Harrow Gold sowohl was die Alkoholausbeute als auch die Aromen und den Geschmack des Destillates anbelangt am besten für die Herstellung von hochwertigen Destillaten geeeignet.

 

Harrow Gold
Harrow Gold

 

Auch Hortensia kann als interessante Neuerung im Birnensortiment angesehen werden. Es besteht Sortenschutz in Deutschland. Diese Kreuzung aus ‚Nordhäuser Winterforelle x Clapps Liebling’ entstammt ebenfalls dem Naumburger / Pillnitzer Züchtungsprogramm und besticht durch eine äußerst attraktive zweifarbige Optik. Auch der Geschmack der Sorte ist über alle Zweifel erhaben, wenn auch die Fruchtgröße mit 154 g Fruchtgewicht etwas klein ist. 68% der Früchte befinden sich in der Sortierung unter 65 mm. Die Lagerfähigkeit der Sorte erstreckt sich problemlos bis in den Januar hinein und auch das Nachlagerungsverhalten kann als gut beurteilt werden. Was die Sorte allerdings als nicht anbauwürdig erscheinen lässt, ist ihr enorm starkes Wachstum und die Neigung zu vegetativ betonten Bäumen mit langen schleudernden Trieben. Die anfangs guten Erträge sind inzwischen im Versuch allenfalls noch mittel und der Schnittaufwand sehr hoch, zudem neigt die Sorte zu Alternanz. Hortensia kann auch durch Gibberellinbehandlungen nicht in den Ertrag gezwungen werden, da sie nicht zu parthenokarpen Früchten neigt. Diese Sorte erfordert jährlich wuchsberuhigende Formierungsmaßnahmen.

 

 

Hortensia
Hortensia

Hortensia im Bestand
Hortensia im Bestand

 

Nicht mehr ganz neu, aber bereits bewährt sind die Sorten Condo und Concorde. Condo entstand 1965 aus einer Kreuzung von ‚Conference x Vereinsdechants’ in Wageningen in den Niederlanden. Die Sorte befindet sich seit 1980 im Handel. Die Reifezeit ist gleich der Conference, die Verträglichkeit zu Quittenunterlagen etwas schlechter. Bezüglich des Ertragsvermögens liegt Condo unter dem der Conference. Betrachtet über einen Versuchszeitraum von 9 Jahren lag dieser Ertragsunterschied bei rund 20%. Die Alternanzneigung ist dagegen etwas geringer als bei Conference. Deutliche Unterschiede gibt es in der Fruchtgröße. Früchte der Sorte Condo wiegen durchschnittlich 237 Gramm, Conference im Vergleich dazu nur 139 Gramm. Bezüglich des "Pack-Outs" in der maßgeblichen  Größensortierung von 65-80 mm bedeutet das unter sommertrockenen Bedingungen 72% (Condo) gegenüber  21% (Conference). Der Anteil verkaufsfähiger Ware ist damit unter den  klimatischen Bedingungen der Neckarregion ohne Zusatzbewässerung dreimal so hoch wie bei Conference. Die Lagerfähigkeit dieser Sorte ist allerdings etwas geringer als bei Conference. Condo ist  deutlich weniger berostet. Concorde entstammt einer Kreuzung von ‚Vereinsdechants x Conference’. Sortenschutz besteht seit 1993. Auch diese Sorte reift zeitgleich mit Conference. Der absolute Ertrag je Baum liegt 20-30% unter dem der Conference. Dieses Ertragsdefizit wird jedoch durch den deutlich höheren Pack-Out von 72% mehr als ausgeglichen. Der Anteil verkaufsfähiger Ware ist wie bei Condo mehr als dreimal so hoch. Concorde ist dazu noch weniger berostet als Condo. Der Anteil an stark berosteten Früchten liegt hier nur bei knapp 20%, während Conference zu 90% stark berostet ist. Von Nachteil ist die Aufhellung der Farbe während der Lagerung, die Überreife suggeriert. Auch ist Concorde nicht so gut lagerfähig wie Conference. Zudem wird bei Concorde über eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand berichtet. Auf dem Versuchsbetrieb Heuchlingen ist dieses Problem bei Concorde aber bisher nicht aufgetreten.  

 

Dicolor ist eine Neuzüchtung aus Litomerice in Tschechien. Es besteht EU-Sortenschutz. Die Kreuzung aus Holenicka x Williams Christ besticht durch ihre Zweifarbigkeit. Allerdings erbringt sie nur in manchen Jahren ein attraktiv leuchtendes Rot als Deckfarbe. Meistens ist die Rotausprägung (Tendenz zu Rotbraun) zu dunkel. Die Erträge sind mittel und regelmäßig, liegen aber unter denen von Conference oder Alexander Lucas. Das Wachstum ist mittelstark, mit relativ steilen Astabgängen. Die Früchte sind mittelgroß bis klein, das Einzelfruchtgewicht beträgt rund 200 Gramm. Geschmacklich spricht diese Sorte die Liebhaber von harten Birnen an. In Verkostungen belegt sie allerdings nur mittlere Plätze, da sie wenig saftig ist und nur mittlere Zuckerwerte aufweist. Lieder scheint Dicolor anfällig gegenüber Feuerbrand zu sein.

 

Dicolor
Dicolor

 

Wie bereits eingangs erwähnt, findet die Birnensorte Uta aus dem Naumburger/Pillnitzer Züchtungsprogramm mittlerweile vor allem für den ökologischen Anbau größere Beachtung. Die Gründe hierfür liegen zum einen in den sehr hohen Erträgen dieser Sorte, die auf dem Niveau von Alexander Lucas liegen, zum anderen in der geringen Schorf- und Feuerbrandanfälligkeit. Die zwei letzteren Züchterangaben konnten in unseren Versuchen mangels Befallsdruck bisher nicht überprüft werden. Weiterhin ist eine optische Eigenständigkeit dadurch gegeben, dass die Sorte komplett bronzefarben ist und sich insofern vom Standardsortiment deutlich abhebt. Der Geschmack ist mittel, beruhend auf einem saftig schmelzenden Fruchtfleisch und einem sortentypischen Birnengeruch. Das Wachstum dieser Sorte ist mittelstark bis schwach und erfordert einen mittleren Schnittaufwand. Der hohe Ertrag tritt regelmäßig auf, bisher konnte keine Alternanz beobachtet werden. Der Pack-Out in der Fruchtgrößensortierung 65-80 mm liegt bei 55%, bei einem mittleren Fruchtgewicht von 175 Gramm. Störend beim Verzehr ist lediglich eine etwas körnige grobe Schale. Die Lagerfähigkeit im Kühllager war bisher problemlos bis Ende Februar. Auch das Shelf Life nach Auslagerung ist als gut zu beurteilen.

 

Uta
Uta

 

Sowohl im Ertrag als auch im Geschmack konnte die Sorte Verdi überzeugen. Hierbei handelt es sich um eine Kreuzung aus ‚Gute Luise x Vereinsdechants’ aus Wageningen / Niederlande. Die Reifezeit liegt unter unseren Bedingungen Ende September, d. h. etwa 2-3 Wochen nach Alexander Lucas. Die Sorte ist mittel bis großfrüchtig und hat rund 20-30% verwaschene rote Deckfarbe. 60% aller Früchte befinden sich in der Idealsortierung 65-80 mm. Diese Sorte hat einen sehr hohen Zuckergehalt, der die Ursache für den sehr guten Geschmack ist. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittel bis hoch. Bezogen auf das Kronenvolumen ist der Ertrag sogar höher als bei Alexander Lucas. Der Wuchscharakter ist lediglich   mittelstark bis schwach. Seitens des Züchters wird eine Zwischenveredelung zur Quittenunterlage empfohlen. Die Bäume sind ruhig und der Schnittaufwand entsprechend gering. In unseren Versuchen war die Sorte problemlos bis Januar lagerfähig und die Haltbarkeit auch eine Woche nach Auslagerung bei Zimmertemperatur noch sehr gut. Auch eine CA-Lagerung dieser Birnensorte ist möglich. Aufgrund ihrer geschmacklichen Qualität stellt sie eine Alternative zu Vereinsdechants dar.

 

Seit 2006 stehen Nojabrskaja (Synonyme Xenia, Novembra® oder einfach Novemberbirne) und Gerburg in der Sortenprüfung auf dem Obstversuchsgut Heuchlingen.

 

Novemberbirne
Novemberbirne

Novemberbirne im Bestand
Novemberbirne im Bestand

 

Beide Sorten stellen vielversprechende interessante Neuerungen dar. Wie die Verkostungsergebnisse (siehe Abb. 2) zeigen liegen beide sowohl optisch als auch geschmacklich deutlich über den Standardsorten. Nojabrskaja ist eine Kreuzung aus Triomphe de Vienne x Decana, die bereits 1962 in Moldawien durchgeführt wurde. Der Erntetermin liegt Mitte Oktober, 3-4 Wochen nach Conference. Die Sorte hat ein sehr weites Erntefenster und neigt trotzdem nicht zu Vorerntefruchtfall.  Der Ertrag setzt sehr früh ein und ist höher als bei Conference. Mit 294 g Fruchtgewicht sind die Früchte sehr groß und mittel- bis kelchbauchig. Die Lagereigenschaften und das Shelf Life sind beeindruckend. Ende Januar schmeckten die Früchte aus dem Kühllager hervorragend und auch nach 10 Tagen Nachlagerung bei  Zimmertemperatur waren der Geschmack, die Saftigkeit und die Festigkeit immer noch als gut zu beurteilen. Erste Versuche im CA-Lager ergaben eine Lagerfähigkeit bis Anfang Mai. Nach der Auslagerung ist eine Zwischenlagerung von einigen Tagen empfehlenswert, damit die Birne ihren vollen Geschmack entfalten kann. Das Shelf Life leidet nicht darunter. Vom Konsumententyp her ist diese Sorte ideal für den "Hartesser", der bisher Conference  bevorzugt hat. Die Sorte schmeckt saftig süß und tropft trotzdem nicht. Sie neigt zur Blüte am einjährigen Holz und trägt dort auch stark. Im Gegensatz zum üblichen Baumschnitt bei der Birnenkultur auf altes Holz, sollte bei der Novemberbirne junges Holz belassen werden. In der erweiterten Sortenprüfung werden derzeit Versuche zur Erziehung und zum Einsatz von Gibberellinen zur weiteren Förderung des Fruchtansatzes durchgeführt. Dadurch soll auch den tendenziell etwas zu großen Früchten vorgebeugt werden. Nach Literaturangaben ist die Toleranz gegenüber Schorf gut, eine höhere Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand wurde bisher nicht berichtet. Die Verfügbarkeit von Pflanzmaterial ist allerdings noch beschränkt. Eine Europalizenz für diese Sorte ist derzeit durch die holländische Baumschule ‚Van Rijn de Bruyn BV’ unter dem Sortennamen ‘Xenia’ beantragt.

 

Verkostungsergebnisse von Birnensorten

Verkostungsergebnisse von Birnensorten

 

Die Sorte Gerburg spricht vom Konsumententyp her den "Weichesser" an, der saftig schmelzende aromatische Birnen bevorzugt. Dazu müssen die Früchte in der Obstschale bei Zimmertemperatur einige Tage nachgelagert werden, um zur vollen Aromenentfaltung zu kommen. Direkt aus dem Kühllager ist der Geschmack nur hart und kaum saftig. Die augenfällige Eigenschaft dieser Neuzüchtung aus Naumburg (Clapps Liebling x Nordhäuser Winterforelle) ist jedoch ihre hervorragende Optik aufgrund der sehr attraktiven Rot/Gelb-Färbung. Zudem sind die Früchte nahezu unberostet und mit 342 g Fruchtgewicht sehr groß. Auch diese Sorte war problemlos bis in den Januar hinein im Kühllager haltbar. In den Anfangsjahren ist das Wachstum als sehr stark einzustufen, zudem sind die Bäume wenig verzweigt. Später beruhigt sich aufgrund der regelmäßigen Erträge das Wachstum. Gegenüber anderen starkwachsenden Sorten hält sich der Schnittaufwand in Grenzen. Auf entsprechend geeigneten Böden scheint Quitte C als Unterlage ratsam. Leider wird von anderen Standorten zu dieser Sorte über erhöhte Anfälligkeit gegenüber Feuerbrand berichtet.

 


Gerburg

 

An dieser Stelle soll auch die erfolgreiche Arbeit des "Bundesarbeitskreises Leistungsprüfung im Obstbau” erwähnt werden, der sich unter anderem auch dem Thema Sortenprüfung bei Birnen widmet. Ein Teil der hier vorgestellten Sorten und weitere andere werden dort in einem Ringversuch an 7 Versuchsstandorten in ganz Deutschland intensiv getestet. Die so gewonnenen Ergebnisse haben eine deutlichere Aussagekraft als die eines Solitärstandortes und werden später gemeinsam veröffentlicht.

 

Wie die Erfahrungen aus der Neckarregion zeigen, gibt es einige neue Birnensorten, die in der Lage sind sowohl qualitativ als auch quantitativ die Standardsorten Conference und Alexander Lucas zu   ersetzen oder Angebotslücken zu füllen (z.B. Frühsorten, farbige Sorten). Nach Jahrzehnten des Stillstands in der Sortimentsentwicklung bei Birne in Deutschland wäre es wünschenswert, wenn auch die Erzeugermärkte dieser Kultur wieder mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Neue und vielversprechende Sorten sind vorhanden, bedürfen jedoch analog der Sortenpolitik beim Apfel einer gezielten Markteinführung und einer Vermarktungsstrategie.

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